Görlitz B5
( von Steffen Reitinger, http://www.reiti.de )
B5 und der "fliegende Hamburger" - LVT Bauart Görlitz (Quelle Th.Striese)
Hinweis : Die Ladezeiten der Bilder sind NICHT optimal, eine höhere Komprimierung wollte ich wegen der Detailtreue nicht verwenden!
27.06.2000 Die ersten Sonnenstrahlen tauchen die Gleisanlagen des
Bahnhofes Görlitz und das Stellwerk B5 in ein warmes Licht und doch ist es
anders als sonst. Die Fenster sind geschlossen und keiner nimmt von dem Gebäude
Notiz. Der Bahnbetrieb läuft wie immer, ... fast wie immer. Auf dem Stellwerk
ist Ruhe eingekehrt, keine rege Betriebsamkeit, keine Stimmen aus den Funkgeräten,
keiner der den vorbeifahrenden Zug beobachtet und mit einer Handbewegung den
Lokführer grüßt, kein Telefon klingelt. Das Stellwerksgebäude ist verlassen,
die Technik außer Betrieb, die Weichen und Signale werden nun von Leipzig aus für
Görlitz gestellt.
Ein Hinweis – heut ohne Bedeutung
Schon tauchen wir ein in die Welt der Stellwerkstechnik. Die Arbeit auf einem Stellwerk erfolgt meist hinter verschlossenen Türen, Außenstehende wissen nicht so genau was da vorgeht. Literatur hält sich zu diesem Thema bedeckt oder ist nur für Techniker von Interesse. Fast schon liegt ein Hauch von Geheimnis auf diesen Gebäuden. Um die Funktionsweise eines Stellwerkes zu verstehen sind allerdings einige Grundlagen nötig. Keine Angst eine örtliche Prüfung, wie für das Bedienpersonal, ist hier nicht mehr erforderlich. Die Prüfung setzt sich immer aus zwei Teilen zusammen. Zu einem wird die technische Bedienung der Anlage geprüft, sowie das lesen der Sicherungspläne. Weiterhin gehören betriebliche Besonderheiten der Örtlichkeiten dazu.
Prüfungsbescheinigung über die "örtliche Prüfung" für das Stellwerk B5
Von den Zusammenhängen und der Funktion eines Stellwerkes sollte man schon einmal etwas gehört haben. Folge dem Link (sehr ausführlich für verschiedene Bauformen) zu den "Grundlagen der Stellwerkstechnik" oder lese, wenn Grundkenntnisse schon vorhanden sind, hier einfach weiter! Die angegebene Seite bietet umfassende Informationen zu verschiedenen Stellwerks,- und Blockbauformen in Wort und Bild, ein Muss für jeden Interessierten! Im Jahre 1841 hat Sir Hutton Charles Gregory als erster den gegenseitigen Ausschluss zweier benachbarter Signale hergestellt. Aber auch dies genügte der 1840 erlassenen Vorschrift : "Solange das Signal für eine Strecke auf Fahrt steht, muss das andere feindliche Signal, in Haltstellung verschlossen bleiben." nicht. Es begann eine Zeit in der die Technik der als "Zentralapparat" genannten Einrichtungen (heute Stellwerk), ständig weiterentwickelt und verbessert wurde und die auch heute noch nicht abgeschlossen ist. Eine dieser Entwicklungsstufen ist das elektromechanische Stellwerk mit vielfältigen Bauformen.
Als erstes werfen wir einen kurzen Blick auf den Stellwerksbezirk B5, ein festgelegter Bereich in dem der Bediener für alle Zug,- und Rangierfahrten verantwortlich ist. Die blau markierte Querverbindung über den Bahnhof war allen als "Autobahn" bekannt und diente hauptsächlich dazu den Lokverkehr zwischen Bahnhof und Bw zügig zu bewältigen. Sie existierte bereits seit dem ersten Bahnhofsumbau 1870. Nun widmen wir uns der geschichtlichen und technischen Seite.
Übersichtsplan entnommen aus dem Gleisbesetzungsplan 1989
Ab 1912 begann der zweite große Umbau des Bahnhofes - es wird die letzte Erweiterung der Anlagen gewesen sein, denn der Umbau im Jahr 2000 gleicht mehr einem Rückbau der Gleisanlagen und auch der Bahnsteig 1 (Gleis 3 / 4) wurde für den Personenverkehr geschlossen - auf der Südseite beginnend wurden die neuen Bahnsteige errichtet. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden alle Weichen ortsbedient. In mehr als 20 Weichenstellerbuden war das Personal - nach Dienstrang getrennt - über das Terrain verteilt. Seit 1914 waren nur noch wenige Wärterhäuser für Handweichenbezirke, mit wenig Rangierbewegungen, nötig. Die Bahnsteige der Gleise 7/8, 9/10 und 11/12 gingen bereits 1912 in Betrieb. Nur der Bahnsteig Gleis 3/4 konnte erst nach Abriss des alten Stationsgebäudes 1917 errichtet werden. Die Übergabe der kompletten Halle erfolgte 1917 mit Einweihung des Bahnhofes.
der "alte" Bahnhof Görlitz um 1914 (Quelle ?) / das "neue" Empfangsgebäude (Postkartenansicht)
Bahnhofshalle mit Bahnsteigsperren vermutlich um 1935 / Bahnhofshalle 1962 (Quelle K. Wießner)
14.01.1989 B5 vor der Sanierung und Arbeitsplatz Fdl (Quelle: Michael Thiele (Frank Schulz))
14.01.1989 B5 Weichenwärter / R7 und W8 (Quelle: Michael Thiele (Frank Schulz))
Am 07.01.1916 ging das elektromechanische Stellwerk vom Typ Siemens & Halske - Einreihenhebelwerk , Bauform 1907/1912 noch unter der Bezeichnung Gt in Betrieb. Auch hier möchte ich kurz abschweifen und erwähnen das von S&H 1891 die ersten elektrischen Weichenantriebe und 1895 die ersten Signalantriebe entwickelt wurden. 1896 wurde auf dem Bahnhof Westend das erste elektromechanische Stellwerk in Deutschland in Betrieb genommen. Nach nur 27 Jahren wurde es allerdings wieder verschrottet um der neuen, sich stürmisch entwickelnden, Technik Platz zu machen. Aber nun zurück nach Görlitz. Die Bezeichnung setzt sich aus dem Ort (G = Görlitz) einer Lagebeschreibung (Himmelsrichtung, vorderer/hinterer) und einem t für Turm zusammen. Gt stand also für Görlitz Turm.
ganz links M. Müller & Kollegen im Stw B5 / rechts ehemalige Fernschreibstelle in B5 (Quelle K. Wießner, Jahresangabe fehlt)
Es handelte sich hierbei um eine Stellwerksform bei der die Fahrstraßen mechanisch verriegelt und die Weichen und Signale über elektrische Antriebe gestellt wurden, die Überwachung erfolgte mit Farbscheiben. Grundsätzlich besteht das elektromechanische Stellwerk aus einem in Stöße unterteilen Gehäuse, in dem alle Hebel gelagert sind. Jedem Hebel ist eine Platznummer zugeordnet. Standartdmäßig fanden 2 Stöße für 24 Hebel mit 1,95 m Länge und 2 Stöße für 16 Hebel mit 1,35 m Länge Verwendung. Das entsprach, in B5, einer Hebelbanklänge von 6,60 m bei 80 Plätzen, wovon aber nicht alle belegt waren. Zum Beispiel waren die Plätze 1-5 frei, auf Platz 6 lag die Weiche 118 und auf Platz 80 Umschlagrichtung links u/Rch, Umschlagrichtung rechts u/Svt (die Ausfahrt von Gleis 14 Richtung Reichenbach /Schlauroth). Alle Einzelheiten waren im Verschlußplan einsehbar. Fahrstraßenhebel und Signalhebel waren zum Fahrstraßensignalhebel vereint, Verwendung fand der Fahrstraßensignalschalter 41034 S&H. Bei einer Hebelbewegung von 30 Grad verschloß der Hebel die nach dem Verschlussplan abhängigen Weichen, Gleissperren und Flankenschutzeinrichtungen sowie die feindlichen Fahrstraßenhebel in der entsprechenden Stellung. Wurde deren Ordnungsstellung durch den Kuppelstromkreis geprüft, war der Fahrstraßensignalhebel für die Weiterbewegung frei. Die Stellung von 45 Grad legte die Fahrstraße mechanisch und blockelektrisch fest und bei einer Stellung von 90 Grad kam das Signal auf Fahrt. Die verwendeten Hebel hatten folgende Farbgebung, Fahrstraßensignalhebel (Stirnseite ein roter Pfeil nach oben auf weißem Grund), die Zustimmungs,- und Befehlshebel (analog mit grünem Pfeil) und die Weichenhebel (blauer Strich auf weißem Grund, man spricht daher von "+" und "-" Stellung). Auch die Hebel des elektromechanischen Stellwerkes hatten, wie auf dem mechanischen Stellwerk üblich, Handfallen. Damit war, bevor man den Hebel umstellen konnte, ein Herausziehen erforderlich. Jeder Hebel besaß auf der Rückseite des Griffes einen Stift, der in entsprechende Bohrungen passte (ca. 5 mm). Kam es zur Nichtübereinstimmung zwischen Hebel und Schalter, wurde dies durch eine Farbscheibe und das Ertönen eines Weckers angezeigt.
Links Farbscheibenüberwachung am Fahrstraßensignalhebel Bauform 1912. Rechts Blick auf auf offene Zustimmungsfelder in Görlitz, man sieht sehr schön die Farbscheiben der Bauform 1907/12 - blau/weiß.
Fahrstraßensignalhebel
Farbscheibenüberwachung Fahrstraße, Weiche / Kennzeichnung der Hebel / Verschlußstücke
Man erkennt die Weichenhebel (blau) die Befehlsabgabehebel (grün) und die Fahrstraßensignalhebel (rot) sowie die Farbscheibenüberwachung
Bauform 1907/12 : In Görlitz existierten Hebelwerke der Bauform 1907/12. Der Hebelwerkskörper entspricht dem Typ 1912, jedoch ergeben sich bei den Farbscheiben und bei einigen mechanischen Komponenten Unterschiede. Es ist bislang fraglich, ob es wirklich um eine eigene Bauform handelt, oder möglicherweise Stellwerke der Bauform 1912 mit alter Farbscheibenanordnung in Sachsen als Bauform 1907/12 bezeichnet wurden. Während bei der Bauform 1912 die Farbscheibe für die Festlegung unten ist, darüber die kleinen Farbscheiben für Zustimmungs,- bzw. Befehlsempfang angebracht sind, ist die Anordnung bei der Bauform 1907/12 genau umgekehrt (im Bild oben schön erkennbar). Ebenfalls sind bei der Bauform 1907/12 die Farbscheiben blau und nicht rot lackiert. Die gleiche Anordnung findet sich auch z.B. im Stellwerk Brugg AG der SBB. (siehe Bauformen Siemens & Halske !)
Die Spannung für die Weichen betrug 136 V Gleichstrom, für die Überwachung waren 34 V erforderlich. Bereitgestellt wurden die Spannungen aus Gleichrichtern und den dazugehörigen gepufferten Batterien oder mittels Netzersatz. Der Batterieraum befand sich, sowie auch der Netzersatzraum, im Bereich des Stellwerkes Got (W2). Das Netzersatzaggregat (NEA) war über mehrere Jahrzente ein Zwei-Zylinder Dieselmotor. Die Besonderheit daran war, er startete bei Netzausfall nicht selbst, sondern musste mit einer Kurbel manuell gestartet werden. Erst nach Stillegung des Bahnhofes Breitendorf kam das dortige NEA nach Görlitz. Ab diesem Zeitpunkt hatte auch Görlitz ein selbststartendes NEA. Jede Zelle dieser Batterie lieferte 2 V und fasste z.B. bei der 34 V Batterie ca. 35 Liter Batteriesäure. Man kann sich leicht die Größe und Kapazität dieser Batterie vorstellen. Bei einem Spannungsausfall durch die Energieversorgung hielten die Batterien für einen Zeitraum von 12 bis 16 Stunden, dann wurde es Zeit den Diesel anzukurbeln. Die Spannung für den Stellstrom wurde seperat jedem Stellwerk zugeführt, nur Gwt (W8) wurde über Gt versorgt. Eine Besonderheit war, das der Kuppelstrom direkt von Stellwerk zu Stellwerk durchgeschleift war und nicht für jedes Stellwerk über ein Befehls,- oder Zustimmungsempfangsrelais getrennt wurde. Um den Verlauf einer Zustimmung einmal zu verfolgen hier ein Beispiel. Es wird eine anstehende Einfahrt von Dresden (Einfahrsignal V) nach Gleis 11 angenommen. Der Fahrdienstleiter bestellte bei der Aufsicht "Zustimmung für Zug 0815 v11". Nun musste die Aufsicht das Freisein des Gleises 11 für ihren Fahrwegprüfbezirk feststellen und gab dann per Schlüsselfeld - auf Gleis 11 - die Zustimmung (Zustimmungsabgabe), diese landete als Zustimmungsempfang in W2. Der Wärter W2 prüfte wiederum für seinen Bereich das Freisein und die Stellung der Weichen,- und Flankenschutzeinrichtungen und gab die Zustimmung ab (Zustimmungsabgabe). Diese erreichte das Stellwerk B5 und hier prüfte nun seinerseits der Wärter die erforderlichen Bedingungen für seinen Bezirk und gab dem Fahrdienstleiter mündlich die Zustimmung für die Fahrt v11. Der Fahrdienstleiter konnte nun die Befehlsabgabe nach W8 dienen. In W8 kam der Befehlsempfang für die Einfahrt v11 an, hier begann die gleiche Prozedur bevor das Signal auf Fahrt gestellt wurde. Dies mal kurz zum Ablauf einer Einfahrt, nun wenden wir uns wieder der technischen Seite zu.
Auszug Originalzeichnung, Verteilungsgehäuse an Weichen von S & H
Der Weichenmotor war ein Gleichstrom-Hauptschlussmotor mit zwei Feldwicklungen für Rechts- und Linkslauf, im Störfall war eine manuelle Betätigung mittels Handkurbel - vor Ort - möglich. Über ein Stirnradvorgelege (Übersetzung in der Regel 1:7) wirkt der Motor auf eine parallel zu ihm liegenden Schneckenwelle. Die Schnecke trieb über ein Schneckenrad den Getriebeblock (Rutschkupplung). Motor,Vorgelege und Schneckenwelle sind in einem gemeinsamen Lagerbock eingebaut. Die Anschaltung der Weichen erfolgte über eine 5-Drahtschaltung diese wurde bei späteren Bauformen nicht mehr verwendet (Stör,- und Fremdspannungsanfällig) hier kam dann die 4-Drahtschaltung zum Einsatz. Eine eindringende Störspannung bei einer 5-Drahtschaltung wurde über entsprechende Kontakte kurzgeschlossen. Weisen diese Kontakte infolge von Verschmutzung höhere Übergangswiderstände auf, so kann möglicherweise ein nennenswerter Störstrom doch über den Motor abfließen und zu einem Fehlanlauf des Weichenantriebes führen. Wichtig war daher die jährliche Überprüfung der Schutzerden. Die Schaltung überwacht die Endlagen des Antriebes jedoch nicht die Stellung der Weiche, dies geschah ausschließlich über die Schubstangen im Stellwerk auf mechanischem Weg, ein weiterer Mangel dieser Schaltungsart. Auf die Schubstangen waren unterschiedliche Verschlußstücke geschraubt die die entsprechenden Abhängigkeiten zu den Weichen und Gleissperren bzw. anderen Fahrstraßen realisierten.
Signalantrieb mit Schmiernippel / Relais wie im Hebelwerk verwendet
Relais Typ I wie im Relaisraum vorhanden (Erweiterungen) / Wechselstromblockfeld
Glasfenstersicherungen 4A, 0,7A & 10A / Pultelement Typ II Ersatzsignal / Originalkabelbezeichnung W2 (Got), Kabel
Gleichstrom Weichenmotor / Pendelwechselblinker W2
"Dieser Pendelblinker stammt aus dem Jahre 1961 und arbeitet mit 34 V Gleichspannung. Mir ist nichts bekannt, das mit gleicher Spannung auf irgendeinem Stellwerk (im Umkreis von 95 Km) ein gleicher betrieben wird. Es könnte sein, das es so etwas in Dresden Mitte noch gibt oder eventuell in Cottbus. Alle anderen Pendelblinker arbeiten mit 60 V in der Stellwerkstechnik und mit 24 V im Bahnübergangsbereich (z.B. noch Posten 162 - HSA Klingewalde) Dieser Pendelblinker (mit Quecksilberschaltern) ist das ORIGINAL vom ehemaligen Stellwerk W2 in Görlitz. Wahrscheinlich war er dort von 1961 bis 2000 in Betrieb. Ich kann mich nicht errinnern, dort oben je einen Blinker gewechselt zu haben. Wenn ich mich recht entsinne, dann hatte das Zs1 am Signal K eine eigene Versorgung mit einer Blinkspannung, ansonsten lief jegliches Blinklicht des Stellwerks W2 über diesen Blinker. Quecksilber fand in der Eisenbahnsicherungstechnik auch Anwendung bei den Zeitschaltuhren (mit Uhrwerk). Diese waren in W2 und in B5 eingebaut, zum Ansteuern der RA 12 an LS Signalen. Diese Technik der Uhrwerke war bis 25.06.2000 in Betrieb. Außerdem war Quecksilber in den NEPTUN - Schienenstromschließern, diese arbeiteten mit Druck,Druckkammern und Membran. NEPTUN -Schienenstromschließer waren in Görlitz noch bis ungefähr zum Jahre 1985 eingebaut." (Klaus Scholz)
Die verwendeten Schrauben waren mit einem "Siemens & Halske Gewinde" versehen und das gab auch wieder Probleme, weil andere Schrauben schlichtweg nicht verwendet werden konnten. Mit dem Projekt Fernbekohlung kam es zu größeren Umbauarbeiten im Stellwerk W8 - Einbau der Weiche 230 und 231). In diesem Zusammenhang wurden in W8 alle Schubstangen getauscht und durch neue mit metrischem Gewinde ersetzt. Da nicht ausreichend Platz vorhanden war und willkürlich viele Hebel (Zustimmungs,- und Signalhebel) frei waren, wurden in diesem Zusammenhang einige Fahrstraßen zusammen gelegt - in W2 zB. "v,w,x 13" und "v,w,x, 14". Die frei gewordenen "Ersatzteile" konnten bei dem gleichen Projekt in B5, W2 und W3 eingesetzt werden und auch eine Reserve blieb übrig. Not macht erfinderisch, aber nun zurück zur Technik. Die Absicherung erfolgte mittels lötbarer Keramiksicherungen mit Glasfenster. Die Sicherungen für den Weichenstellstrom waren auf 10 A, die für die Überwachung auf 0,7 A (typisch für die 5-Drahtschaltung, bei der 4 Drahtschaltung kommen Typen mit 0,3 A zum Einsatz), der für Fahrstraßen erforderliche Kuppelstrom war auf 4 A ausgelegt. Um Manipulationen an der Überwachungssicherung zu verhindern befand sich in Reihe zu dieser im inneren des Hebelwerkes - für den Bediener nicht zugänglich - normalerweise eine sogenannte "Polizeisicherung", sie hatte einen Wert von 1,7 A. Diese "Polizisten" waren in Görlitz nicht vorhanden.
Relaisraum in B5
In den Planunterlagen war zum Relaisraum vermerkt "W8 Relaisraum (in B5), in ihm waren die Relaisgruppen der Signale S, T, V, W, X untergebracht. Desweiteren waren die Auflösegruppen der isolierten Schienen und zu einem späteren Zeitpunkt die Bahnhofswiederholungssperren der betreffenden Signale eingebaut. Die Technik vom Stellwerk B5 befand sich hauptsächlich im Hebelwerk des Stellwerkes, die Schaltungen für Ra 12 und Zs1 meist in extra Kästen an der Wand. Man sieht das der Relaisraum in B5 hauptsächlich für W8 nötig war.
Die Lichtsperrsignale (z.B. Ls12 hoch römisch 4) sowie die Signale R, U, N und O waren mit Lampen 50 V 25 W / 25 W bestückt. Ene seperate Stromversorgung erfolgte mit 120 V Wechselstrom. Diese Stromversorgung befand sich im Stellwerksraum B5. Bei Netzausfall erfolgte mittels Schütz eine Umschaltung auf die Stellstrombatterie (136V Gleichstrom) als Notversorgung. Zu erkennen war das am permanenten, gleichmäßigen Ausschlag des Amperemeters im Stellwerk (sonst Stellstromüberwachung der Weichen). Die übrigen Zs1, Ra12 an den Formsignalen oder am freistehenden Ra11a (mit Ra12) waren Glühlampen 12 V 6 W / 6 W ausgestattet. Die Relais dazu waren in Wandkästen untergebracht. Beim Bedienen der Ra12 kamen die beiden weißen Lichter, von links nach rechts steigend, wobei der Haltbegriff - Rot - bei den Lichtsperrsignalen erlosch. Einige Lokführer haben bei diesen "Lichtspielen" mitunter schon etwas komisch geschaut und auch die Signalwerker mußten bei der Stromversorgung schon sehr genau hinsehen. Die Beleuchtung der Weichen und Formsignale erfolgte mit 60V Wechselspannung. Zumindest in W2 wurden die Formsignale mit 120V Wechselspannung betrieben, hier konnte bei einem Netzausfall, allerdings per Hand, auf Gleichspannungsversorgung aus der Stellstrombatterie umgeschaltet werden. Die Stromversorgung der Lichtsignale und der Weichen,- und Signalbeleuchtung waren vollkommen seperat aufgebaut. Für alle Interessierten hier ein Blick auf das Signalsystem (Erläuterung Zs1, Ra12, Ra11a) in Deutschland. Damit verlassen wir die etwas chaotische Stromversorgung und wenden uns wieder der Stellwerkstechnik zu.
Die Gleissperren waren in Verbindung mit den Weichen auf einen gemeinsamen Hebel gelegt. Bei einem Umstellvorgang legte erst die Gleissperre ab und danach lief die Weiche in ihre andere Endlage bzw. nach erreichen der Weichenendlage legte die Gleissperre auf. Diese Technik war später nicht mehr statthaft und nur bereits in Betrieb befindliche Anlagen durften damit weiter arbeiten. Hierfür reichte die 5-Drahtschaltung allerdings nicht aus und musste um zwei weitere Adern ergänzt werden, so das hierfür insgesamt 7 Adern nötig waren. Auch der Batteriewechsler im Schalterwerk wies gegenüber einer normalen Weiche zusätzliche Kontakte auf. Für technisch Interessierte gibt es hier die Weichenschaltungen im A3 Format für Corel 6 ( WEICHE.ZIP ) zum Download. Die Weiche 126 des Bahnhof Görlitz besaß eine Weichenhebelsperre, diese verhinderte beim Besetztsein der Weiche (Isolierung) ein Umstellen. Die Einschaltung - Prüfung auf besetzt - erfolgte beim Ziehen der Handfalle mit Hilfe eines Gleisstromkreises.War die Weiche frei ( also nicht mit einem Fahrzeug besetzt), klappte die blaue schmale Farbscheibe aus dem Sichtbereich und man konnte den Umstellvorgang durchführen.
Beispiel für Farbscheibenüberwachnung an einer Weiche mit Weichenhebelsperre
Bei später gebauten Stellwerken (Bauformen) wiesen die Signalhebel
Nockenscheiben auf, mit denen der Anker zwangsweise abgedrückt wurde. Damit
verhinderte man ein "kleben bleiben" des Ankers (Restmagnetismus)
infolge dessen das Signal wiederholt auf Fahrt gestellt werden konnte, auch wenn
der Streckenblock ordnungsgemäß arbeitete. Bei der
Bauart in Görlitz waren diese Nockenscheiben nicht vorhanden und der
Kuppelstrommagnet wurde nicht auf Abfall überprüft. Ein später in W2
eingebauter Hebel wies diese Nockenscheibe auf, ging aber nie in Betrieb (Bild
weiter unten). Ich erinnere mich noch gut daran, Fdl M. Lange zeigte gern dem
staunendem "Publikum" (neue Mitstreiter), dass sich das Ausfahrsignal (Formsignal) am Gleis
10 oder am Gleis 14 (Lichtsignal) mehrfach auf Halt und Fahrt stellen lies,
immer mit einem unverkennbaren, verschmitzten Lächeln auf den Lippen. Tja, wer
seine Technik kennt ... An Gt waren 3 Wärterstellwerke
angeschlossen (Got, Gnt und Gwt). Bei Gt und Got handelt es sich um sogenannte
Reiterstellwerke, das heißt das der Stellwerksraum ein bzw. mehrere Gleise überspannt.
Gt überquert die Gleise 13 und 14. Diese Bauform der Stellwerksgebäude wurde
erst mit dem Aufkommen elektromechanischer Stellwerke möglich, da die
Spannwerksräume und Drahtleitungen entfielen. Damit konnten die Gebäude
endlich quer über Gleise angeordnet werden. Die Übersicht für die Bediener
verbesserte sich, man sparte Platz und durch die elektrischen Antriebe konnten
endlich größere Stellentfernungen, als bei mechanischen Stellwerken,
überbrückt werden. Durch den Spannungsabfall in Gleichstromleitungen konnten
somit immerhin ca 550 m (350 m) bei Weichen, 1800 m bei Form,- und ca. 2500 m bei
Lichtsignalen (Hauptsignale 1200 m, Vorsignale 1800 m) erreicht werden Die
Stellentfernungen für mechanische Stellwerke sind in Klammern angegeben. Damit waren Stellwerksbezirke mit ca. 1100 m
Ausdehnung möglich. Der Bahnhof Görlitz und seine Stellwerkstechnik gehörte
damit bei seiner Inbetriebnahme zu den modernsten seiner Art, man sprach von einem
„Wunderwerk der Technik“.
Die
Hebelbank in voller Länge
Besonders die Kriegsjahre haben tiefe Wunden hinterlassen,
das zweite Gleis wurde als Reparationsleistung abgebaut und später wurde auch
die Oberleitung entfernt, da die Bahnstromwerke in Oberschlesien durch
Kriegseinwirkung zerstört waren. Aber dies war nur ein Grund, Görlitz selbst
wurde durch die neue Grenzziehung zur geteilten Stadt. Der im Westen gelegene
Bahnhof Görlitz und der Güterbahnhof Schlauroth wurden damit vom restlichen
elektrifizierten schlesischen Netz abgetrennt und die verbliebene Oberleitung
demontiert. Heute kann man noch vereinzelte Stahlgittermasten finden, die
teilweise noch der Beleuchtung dienen. Allein die Stellwerkstechnik überdauerte stumm und ohne murren jedoch mit technischen Änderungen die schweren Zeiten.
E 49 Ostseite Gleis 7 / Ostkopf Bahnhof Görlitz mit Blick auf Got (W2) unter Fahrleitung
Quelle : Siemens-Archiv mir zur Verfügung gestellt von Thomas Kunze
Auszug Bauzeichnung W8, Dachbalken - und Sparrenlage, Mai 1914 (Quelle Schlichting)
1960 bekamen die Stellwerke ihre heute noch gültigen Namen
entsprechend ihrer Funktion. Gt hieß fortan B5 (Befehlsstellwerk 5) und die Wärterstellwerke
wurden zu W2 (Got), W3 Gnt) und Gwt wurde zu W8. Die Zählung begann im Osten
fortlaufend Richtung Westen, freie Nummern hatten damals
Handweichen/Schrankenposten inne die mit R begannen (zB. R1). Im selben Jahr
noch lobte die Verkehrshochschule „Friedrich List“ in Dresden die Weitsicht
der damaligen Ingenieure und den Bahnhof Görlitz als Musterbeispiel für einen
rationellen Betriebsablauf. In den folgenden
Jahren gab es viele Umbauten, so wurden einige Formsignale durch
Lichtsignale ersetzt, die Signalbrücke verschwand, der Bahnhof erhielt eine
Propanweichenheizung, im Februar 84 wurde der Streckenblock umgebaut, die alte
Gleisfreimeldeanlage auf Gleis 5 wurde erneuert, Weichenverbindungen wurden
entfernt. Das Kernstück, die elektomechanischen Stellwerke blieben in ihrer
Funktion davon aber unberührt.
Amperemeter
für Stellstrom der Weichen / Felder der FahrstraßenSignal,- u.
Befehlsabgabehebel / Fahrstraßenauflösefelder
der
Streckenblock war geteilt (Endfelder B6, Svt und Richtung B1 komplett in W8) /
Streckentastensperre über Anfangsfeld
Links ein Signalhebel ohne Nockenscheibe (so waren alle ausgeführt), rechts ist im Kreis deutlich die Nocke zu erkennen die den Anker (I) zwangsweise abdrückte. Der Hebel wurde in W2 eingebaut ging jedoch nie in Betrieb.
Die Jahre nach der Wende führten im Güterverkehr zu gravierenden Veränderungen und das Frachtaufkommen sank drastisch. Der dem Bahnhof Görlitz angeschlossene Rangierbahnhof Schlauroth wurde am 10.01.94 stillgelegt. Nicht benötigte Anlagen (Gleisbremsen , teils Weichen/Weichenteile und Gleise) wurden demontiert und Unkraut übernahm langsam die Oberherrschaft auf dem großen Areal. Nur die für den Zugbetrieb erforderlichen Stellwerke B6 (Richtung Dresden) und Svt ( Abzweigstelle in Richtung Berlin – behielt seinen alten Namen) blieben in Betrieb. B6 hatte die Bauform Müller & May, das letzte in Deutschland welches außer Betrieb ging. Die Firma war im jetzigen Görlitz-Rauschwalde ansässig und die Gründung datiert auf das Jahr 1890 (Gelände Schaltgerätewerk - Reichenbacher Str. 2). Die Verbreitung der Stellwerke war auf den näheren Raum und Richtung Oberschlesien begrenzt. Die kaufmännische Leitung der Eisenbahnsignal-Bauanstalt GmbH hatte Fritz Müller und der Ingenieur war Christian May. 1922 wurde die Produktion von anderen Firmen übernommen, Adressbucheinträge der Stadt Görlitz lassen zur Firma Müller und May keinerlei Einträge mehr finden. Als Nachfolger kommen zwei Varianten in Frage, eine Quelle spricht von der Verlagerung der Produktion nach Oesede die andere benennt die Paul Weinitschke GmbH in Berlin-Lichtenberg als Nachfolger.
Produktionsgebäude von Müller & May in Rauschwalde-Görlitz / Weichenhebel M&M, Bauform ab 1902 doppelrollig
Firmenbrief von Müller & May
Es war ein langsamer und qualvoller Tod den Schlauroth starb, immer
wieder griff man bei Umleitungsbetrieb auf die Ausweichmöglichkeit zurück
besetzte zeitweise die benötigten Stellwerke und sogar die Sicherungsanlagen
wurden angepasst (nach Stillegung). Das Stellwerk B1 war auch immer wieder für Stunden besetzt um
Bedienfahrten zu ermöglichen. Schlauroth warf seine Schatten auch auf den
Bahnhof Görlitz voraus, der fehlende Güterverkehr hatte auch hier seine
Auswirkungen. Ende 2002 zeugen nur noch die Gebäude von dem einst großen
Rangierbahnhof, die Gleisanlagen sind komplett zurückgebaut. Nur am ehemaligen
Streckengleis auch Richtung Görlitz in Höhe B1 ist noch ein Anschluß
bedienbar. Besonders W3 bekam diese Einschnitte zu spüren, hier wurden die Überführungen
gebildet und aufgelöst sowie die Frachten bereitgestellt. Im Steuerhof kam es
zum Sperren von Gleisen und durch Trennschnitte wurden sie unbefahrbar gemacht.
Das Aufkommen im Güterverkehr ging gegen Null.
Zustimmungshebel in W3 / Hinweis für Stellstromsicherungen / Befehlsabgabe B5
Die Arbeitsbereiche auf B5 waren genau abgegrenzt, zuletzt
versahen 1 Fahrdienstleiter und 1 Weichenwärter rund um die Uhr sowie ein
Zugmelder wochentags zweischichtig ihren Dienst um die Technik zu bedienen und
den Betriebsablauf sicher zu gestalten. Der Fahrdienstleiter war für den
kompletten Betrieb (Befehlsgewalt) auf dem Bahnhof verantwortlich bediente
selbst 8 Signale, disponierte bei Verspätungen und wusste somit immer was auf
dem Bahnhof los war. Dem Weichenwärter B5 oblagen 26 Weichen einschließlich
der gesamten Rangierbewegungen (BW-Übergabestelle). Der Bereich des Wärters W2
umfasste einmal über 44 Weichen und auch das Rangieraufkommen war enorm (2
Rangierloks Personenzugseite/Waschanlage)! W8 war an allen Zug,- und
Rangierfahrten die über den Westkopf des Bahnhofes liefen, beteiligt. Aber nicht der einzelne war hier
wichtig sondern das Zusammenspiel aller Stellwerke, des Rangierpersonals und
auch der Lokführer. Natürlich dürfen auch die technischen Bereiche, besonders
die Signalwerker, nicht vergessen werden.
01/1992
vorn Fdl G. Stütze (hinten
links/rechts) Zm A.Heinrich und Ww St.Reitinger
Eine Sternstunde für das altehrwürdige B5 war die 1993
durchgeführte Sanierung der Fassade und die Neudeckung des Daches, aber hier
lastete schon eine ungewisse Zukunft auf dem Stellwerk. Selbst die alte
Schwerkraftheizung (Zimmerstedt, Breslau) wurde durch eine moderne Gasheizung
ersetzt. 1996 feierte unser „Veteran“ seinen 80. Geburtstag in aller Stille
und ohne das sich jemand seiner Geburtsstunde zu erinnern schien. Bereits 1995
begannen die ersten Planungen für den Bau des zukünftigen ESTW. Grund dafür
war sicher nicht nur die im Vorfeld erteilte beschränkte Betriebserlaubnis des
EBA (Eisenbahn-Bundesamt) mit ihren Auflagen. Die Verkabelung der Weichen wurde
erneuert. Das Ankünden und die Geschwindigkeitsbeschränkungen im Bahnhof
sprachen eine deutliche Sprache und seit dem 23.06.94 war die
Signalabhängigkeit durchgehend aufgehoben. Arbeiten wurden auf Notwendigkeiten beschränkt,
schon zu DDR-Zeiten war ein Zentralstellwerk für Görlitz im Gespräch. Dies
schlug sich in den anstehenden Wartungsarbeiten nieder, man beschränkte sich
zusehends auf Reparaturen. Schließlich begannen 1998 die erforderlichen
Umbauarbeiten für das ESTW und besiegelten das Ende der bestehenden Stellwerke.
Notbedienplatz im Estw Görlitz - Vorraum ( Bf Görlitz / Typ Siemens - Mausbedienung) / Bereichsstellrechner in der Unterzentrale Görlitz
Arbeitsplatz Görlitz im ESTW Leipzig, klimatisiert und ohne Fenster - Monitore satt. Nur eine Eisenbahn ist weit und breit nicht zu sehen!
Am 25.06.2000 wurde die alte Technik komplett durch die
neue ersetzt, eine Technik die robust war und über viele Jahre zuverlässig und
unauffällig ihre Arbeit geleistet hat. Die letzte ferngestellte Weiche mit der
alten Technik war die DKW 43 im ehemaligen Bereich W2 ( bis 26.06.00). Von den einst über 110 Weichen- und Gsp
- Antrieben sind ESTW - freundlich nur knapp über 30 Antriebe geblieben. Plötzlich zog Stille
ein
in Räume wo
man meint noch das klingeln der Telefone im Raum zu hören, den
Zustimmungswecker, das ticken der Uhr .....
(Download : letzte Seite Zugmeldebuch Richtung Dresden Shp B6 zmb.zip - A4; JPG / Artikel der Sächsischen Zeitung zur Inbetriebnahme des ESTW b5.zip Word)
Weitere sehr interessante Informationen bieten die Bücher "Eisenbahnknoten Görlitz" von Wilfried Rettig ( ISBN-Nr. 3922138535), "Stellwerke" von Erich Preuß (ISBN-Nr.3-613-71196-6) und "150 Jahre Waggonbau in Görlitz 1849-1999" von Wolfgang Theurich (ISBN-Nr. 3882555645).
Noch einmal lassen wir unseren Blick durch den Raum schweifen, ehe wir die Tür ganz leise schließen als ob wir jemanden stören könnten und steigen die Treppe hinunter.
Die letzte Notiz auf der Merktafel W2 ...... und Stille zog ein.
Ein tragische Wende für die weitere Zukunft von B5 brachte der Brand in der Nacht vom 23/24.11.02. Am 28.11.02 treffe ich mich mit Thomas Striese um den entstandenen Schaden einmal näher zu betrachten. Mit einem mulmigen Gefühl betreten wir das Gebäude. Schon im Eingangsbereich schlägt uns Brandgeruch entgegen, Ruß überall. Aber so richtig schlimm wird es erst als wir die Treppe hinauf steigen, die schwarzen Wände unwirklich und fremd. Man meint mit jeder Stufe die man steigt ,tiefer in den Keller zu gelangen. Die größten Schäden befinden sich im Bereich der "Küche", die Elektroinstallation hängt nur noch in blanken Drähten von der Decke, die Holzwand Richtung Relaisraum weißt ein großes Loch auf, Schutt liegt am Boden. Der Brandherd ist gut erkennbar. Trotzdem das Fenster offen ist kann man in der Dunkelheit nur schemenhaft Details erkennen. Die schmorenden Leitungen über der Tür zum Stellwerksraum haben die Verglasung platzen lassen. Das Stellwerk ist auch ein Opfer des Qualmes geworden, alles ist rußüberzogen, die Fenster beschlagen, so das nur wenig Licht eindringt und alles in einer gespenstischen Dämmerung liegt. Die Hebelbank hat nicht´s mehr von ihrem grün, Konturen von den Farbscheiben und der Beschilderung lösen sich auf, werden eins mit ihrem rußigen Hintergrund.
Der Traum, B5 zu erhalten, rückt in immer weitere Ferne. Gerüchte um den Abriß der Stellwerke halten sich und werden auch konkreter. In der Zwischenzeit sind alle bis auf B5 verschwunden (Bilder dazu auf der nächsten Seite). Graffitis zieren B5- nicht nur von außen - und irgendwann wird aus Sicherheitsgründen auch dieses Gebäude aus dem Bahnhofsbild verschwinden. Die Finanzierung für die Anmietung bei weitem, ohne feste Sponsoren illusorisch und der Brand hat auch das letzte Fünkchen Hoffnung begraben. Was bleibt ist B5 hier im Netz zu erhalten und diese Seite zu erweitern um uns so virtuell auf den Weg durch unser B5 zu machen. Dazu laden wir ein und bitten gleichzeitig um Hilfe. Wir benötigen Lagepläne, Fahplanunterlagen, Grundrisse vom Gebäude, Berichte von ehemaligen Mitarbeitern, einfach alles um diese virtuelle Welt so realistisch wie möglich zu gestalten. Ebenfalls bin ich auf der Suche nach allen Dokumentationen zur Firma Müller & May.
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Elektrische Stellwerke
verlangen von den Bedienungsmann-
schaften keine nennenswerte körperliche Arbeit.
Die Auswahl dieser Beamten kann daher mehr mit Rücksicht
auf geistige als auf körperliche Fähigkeiten erfolgen.
(Siemens&Halske, Elektrische Stellwerke für Weichen und Signale 1908)
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Letzteren Satz möchte ich nicht näher kommentieren, man sollte
sich dies aber auch auf höheren Ebenen zu eigen machen. Diese Seite war noch nicht fertig, da
wurden bereits Teile der Anlagen W2/W8 demontiert (03.07.00). Für B5 selbst
bestand zu dieser Zeit noch ein Ausbauverbot. Aber auch hier haben
schon "Sammler" zugeschlagen und die ersten Schilder an Türen und
Blockeinrichtungen entfernt, es ist nur eine Frage der Zeit wenn andere Teile
folgen werden. Für mich ist es Irrglaube mit einzelnen Teilen Stellwerkstechnik
zu präsentieren und ein einzelnes Emailleschild ist noch lange kein Stellwerk!
Zuständigkeiten ändern sich mit den Personen die sie innehaben und auch mit
deren Einsatz für den Erhalt eines Stückes Eisenbahngeschichte. So wie es immer weniger Dampfrösser werden so wird auch die alte
Stelltechnik sterben. Vergangenheitsbewältigung auf die moderne Art, oder ist
es die Angst sich mit den eigenen Wurzeln zu befassen ?
Besonderer Dank geht an Klaus Scholz, Andreas Meusel, Gisbert Schmidt und Bernd Peschel vom Bereich LST für Ihre Ausführungen zu speziellen Fragen der Sicherungstechnik - nicht zuletzt auch für die Möglichkeit vor Ort noch einige Fotos zu machen. Ebenso bedanke ich mich bei Klaus Wießner (†), Uwe Stark und Thomas Striese für Ihre Einsatzbereitschaft, aber auch bei allen anderen die am Telefon meine vielen Fragen bereitwillig beantworteten, aber auch bei allen ungenannten Personen die mich unterstützt haben und weiterhin unterstützen. Mein Dank geht auch an Thomas Kunze der mir aus seinen Recherchen beim Siemens-Archiv Bildmaterial zur Verfügung stellte. Die Seite ist bei weitem umfangreicher geworden als sie geplant war und dennoch gibt es vieles was unerwähnt bleiben musste - tiefgreifendere Aussagen hätten diesen Rahmen bei weitem gesprengt. Ich erinnere mich gern an die Zeit, als ich diese Technik bedienen konnte.
Auch 10 Jahre nach Außerbetriebnahme der Stellwerke auf dem Bahnhof Görlitz erreichen mich immer noch sehr viele Mails und Hinweise zum Thema. An dieser Stelle möchte ich mich recht herzlich bei Michael Thiele für die Bereitstellung diverser Bilder aus dem Jahre 1989 bedanken, die ich teilweise in diese Seite integriert habe.
( 04 Juli 2000 ) letzte Änderung : 27.07.2010 Rei (c)